Neue Leitlinie zu BPDCN1

Die blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPDCN) ist eine sehr seltene und meist aggressiv verlaufende hämatologische Neoplasie. Die Diagnose gilt als herausfordernd, auch weil sich die BPDCN sehr häufig primär kutan äußert – meist mit asymptomatischen, schnell progredienten Hautläsionen.2 Was sagt die neu erschienene Leitlinie zu Diagnostik und Therapie?
Herausfordernde Diagnose
BPDCN ist eine unbehandelt schnell zum Tod führende Neoplasie mit kutanen singulären oder multilokulären, oft kontusiformen Läsionen als häufige Initialmanifestationen.1 Zu diesem Zeitpunkt liegt oft schon eine rasch progrediente systemische Ausbreitung mit Krankheitsmani-festationen in Knochenmark, peripherem Blut und Lymphknoten vor, wie auch die neue Leitlinie betont.1 Es besteht eine enge histogenetische Beziehung der BPDCN zu koexistierenden oder im Verlauf auftretenden myeloischen Neoplasien wie z.B. CMML, MDS oder AML.1*
In der Diagnostik ist der charakteristische Immunphänotyp der Tumorzelle wegweisend:1
  • Expression von 4 der 5 Markern: CD123, CD4, CD56, TCL1 und BDCA2**
  • Abwesenheit Linien-spezifischer Marker: keine Expression von pan-T Antigenen wie CD3, keine Expression von pan-B Antigenen wie CD79a und keine Expression myeloischer Marker wie Lysozym, Myeloperoxidase, CD14 und CD11c.
Das Antikörperpanel sollte immer CD123 enthalten. Die neue Leitlinie nennt neben einer gründlichen Untersuchung der gesamten Haut ein Differentialblutbild, eine Knochenmarkdiagnos-tik inklusive Biopsie und ggf. eine Bildgebung extramedullärer Manifestationen als notwendig.1
*CMML=chronische myelomonozytäre Leukämie, MSD=myelodysplastisches Syndrom, AML=akute myeloische Leukämie
**TCL1=T-Cell Leukemia/lymphoma 1, BDCA1=blood dendritic cell antigen 1
Hoffnungsträger: neue zielgerichtete Therapieansätze
Die therapeutischen Ergebnisse in der BPDCN sind mit einer mittleren Gesamtüberlebenszeit von < 2 Jahren schlecht.1 Lediglich mit einer konsolidierenden Stammzelltransplantation sind längerfristige Krankheitskontrollen möglich.
Zur Erstlinientherapie empfiehlt die Onkopedia-Leitlinie im Therapiealgorithmus je nach Alter, Komorbiditäten, Allgemeinzustand und Verfügbarkeit einer allogenen Stammzellspende:
  • Intensive Induktionsbehandlung analog ALL/LBL- oder AML-Protokollen oder Tagraxofusp, gefolgt von einer potenziell kurativen Stammzelltransplantation (SZT).
  • Oder eine symptomorientierte weniger intensive Therapie, d.h. Tagraxofusp oder Chemotherapie moderater Intensität (z. B. CHOP), Monotherapie mit z. B. Azacitidin, Etoposid.1
Das Erreichen einer möglichst kompletten Remission (CR) vor einer alloSZT ist prognostisch günstig. Je nach Therapieregime kann eine CR in 41 – 91 % der Fälle erreicht werden.1,3-7
Seit 2021 ist mit dem Fusionsprotein Tagraxofusp (Elzonris®, Pflichttext) in der EU ein zielgerichteter Wirkstoff als einzige medikamentöse Therapie zur Erstlinientherapie und Monotherapie bei BPDCN für erwachsene Patienten zugelassen. Tagraxofusp besteht aus einem modifizierten Diphtherietoxin und Interleukin-3, das an die CD123-positiven BPDCN Zellen bindet. Nach Anheften an die Zielzelle wird die toxische Komponente ins Zellinnere transportiert und initiiert dort den Zelltod.8,10 Dies erklärt auch die hohe Bedeutung des Markers CD123 für die Diagnostik und die Therapie.
Aktuelle Studienlage Tagraxofusp:
In der bisher größten prospektiven klinischen Studie mit BPDCN-Patientinnen und Patienten wurde Tagraxofusp an n = 65 nicht vorbehandelten Patienten in einer offenen, multizentrischen klinischen Studie der Phase 1/2 geprüft.8,9 Die Fachinformations-konforme Kohorte bestand aus 29 Patientinnen und Patienten:
  • Tagraxofusp als Erstlinientherapie erreichte eine Gesamtansprechrate von 90 %.
  • Bei nicht vorbehandelten Betroffenen führte Tagraxofusp in 72 % zu einer kompletten Remission.* (CR/CRc)
  • Das mediane Gesamtüberleben betrug 25,8 Monaten.+
  • 45 % der Erkrankten konnten zur Stammzelltransplantation überführt werden.
* Komplette Remission (CR) und komplette klinische Remission (CRc).
+ Langzeitüberleben wird noch beobachtet
Dermatologie oft 1. Anlaufstelle
Vor der Therapie muss die seltene BPDCN korrekt diagnostiziert werden. Da sie sich bei 86 – 94 % der Erkrankten primär kutan manifestiert, ist die dermatologische Praxis in den meisten Fällen der 1. Ansprechpartner.11 Eine enge interdisziplinäre Kooperation von Hämatologie, Dermatologie, Dermatopathologie und Pathologie ist für die zielgerichtete Diagnostik und die Einleitung der Therapie Voraussetzung.1 Die Seltenheit der BPDCN – und die schwer korrekt zu diagnostizierenden Hautveränderungen – sorgen für eine erhebliche Verzögerung nach meist kutaner Erstmanifestation bis zur akkuraten histologischen Diagnose von durchschnittlich 4 – 6 Monaten.12 Eine schnelle Diagnose ist somit überlebensnotwendig.
Literatur
  1. Onkopedia Leitlinie Blastische plasmozytoide dendritische Zellneoplasie. Januar 2022 https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/blastische-plasmazytoide-dendritische-zellneoplasie-bpdcn/@@guideline/html/index.html#:~:text=Die%20blastische%20plasmazytoide%20dendritische%20Zellneoplasie,mit%20myeloischer%20und%20lymphatischer%20Pr%C3%A4gung. (abgerufen am 09.03.2022)
  2. Klemke CD. Die Blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPDCN)–Pathogenese, Diagnostik und Therapie.1. Auflage– Bremen: UNI-MED, 2021, ISBN 978-3-8374-2432-4
  3. Pagano L et al.: Blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm with leukemic presentation: an Italian multicenter study. Haematologica 2013;98: 239-246.
  4. Yun S et al. Survival outcomes in blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm by first-line treatment and stem cell transplant. Blood Advances 2020;4:3435-3442.
  5. Martín-Martín L et al. Classification and clinical behavior of blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasms according to their maturation-associated immunophenotypic profile. Oncotarget 2015;6:19204-19216.
  6. Reimer P et al. What is CD4+CD56+ malignancy and how should it be treated? Bone Marrow Transplant 2003;32: 637-646.
  7. Roos-Weil D et al. Stem cell transplantation can provide durable disease control in blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm: a retrospective study from the European Group for Blood and Marrow Transplantation. Blood 2013;121:440-446.
  8. Fachinformation Elzonris® (aktueller Stand)
  9. Pemmaraju et al. Tagraxofusp in blastic plasmacytoid dendritic-cell neoplasm. The New England Journal of Medicine 2019;380(17):1628–1637.
  10. Frankel et al. Activity of SL-401, a targeted therapy directed to interleukin-3 receptor, in blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm patients. Blood. 2014;124(3):385–392.
  11. Hirner JP et al. Blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm: the dermatologist‘s perspective. Hematology Oncology Clinics of North America 2020;34(3):501–509.
  12. Julia F et al. Blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm: clinical features in 90 patients. British Journal of Dermatology 2013;169(3):579–586.
  1. Riaz W et al. Blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm: update on molecular biology, diagnosis, and therapy. Cancer Control. 2014;21(4):279–289.
  2. Pagano L et al. Blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm: diagnostic criteria and therapeutical approaches. Br J Haematol. 2016;174(2):188–202.
  3. Frankel AE et al. Activity of SL-401, a targeted therapy directed to interleukin-3 receptor, in blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm patients Blood. 2014;124(3):385–392.
  4. Pemmaraju N, Konopleva M. Approval of tagraxofusp-erzs for blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm. Blood Adv. 2020;4(16):4020–4027.
  5. Facchetti F et al. Blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm. In: Swerdlow SH, et al, eds. WHO Classification of Tumours. Pathology and Genetics of Tumours of Haematopoietic and Lymphoid Tissues. 4th ed. Lyon, France: IARC Press; 2008:145-147.Frankel AE et al. Blood. 2014;124(3):385–392.
  6. Pemmaraju N et al. Tagraxofusp in blastic plasmacytoid dendritic-cell neoplasm. N Engl J Med. 2019;380(17):1628–1637.